Also, was deinen Pessimismus in Bezug auf die Bestie Mensch heutzutage angeht, bin ich, glaube ich, nicht weit von dir weg. Was aber den Optimismus über den Menschen der Vergangenheit angeht, da kommen wir nicht zusammen
Ist aber ja auch kein Problem, ich will nur noch einmal kurz sagen, wie meine Position da begründet ist:
Es ist natürlich leicht möglich, Beispiele zu finden, bei denen die heutige Zeit "bestialischer" dazustehen scheint oder es auch tut als die Vergangenheit.
Genau so ist es aber nicht das geringste Problem, Beispiele aus den Vergangenheiten (Zu- und Umstände waren ja je nach genauem Zeit- und Raumpunkt auch sehr sehr verschieden) zu finden, die das Bestialische im Menschen aus meiner Sicht recht deutlich werden lassen, auch ohne, dass es Computerspiele, Massenmedien o.ä. gab.
Dabei findet man ohne weiteres sowohl Beispiele für "Einzelgräuel" als auch weiterreichend grauenhafte Zustände jenseits des einzelnen Ereignisses.
Was einzelne Gräueltaten und -ereignisse angeht, braucht es nicht viel Fantasie bzw. Input, denke ich. Man lese z.B. das Tagebuch des Peter Hagendorf, eines Soldaten im Dreißigjährigen Krieges (möglich hier:
https://digital.staatsbibliothek-berlin ... 001&DMDID= ) und man wird viel Bestialisches finden (auch Schönes, das ist es eben, heute wie damals: Wir Menschen sind für beides gut).
Auch aus anderen Epochen lassen sich leicht weitere entsprechende Beispiele anführen, selbst die wohlbekannte Schullektüre von De Bello Gallico hat einiges zu bieten.
Der vormoderne Krieg war alles andere als "menschlich", man hat sich in echtem "Hauen & Stechen" aus nächster Nähe niedergemetzelt. Für mich reicht das auf jeden Fall für das Label "Bestie Mensch". Der moderne Krieg sieht größtenteils anders aus, das sind aber Unterschiede, die auf den unterschiedlichen technischen "Werkzeugen" beruhen, weniger auf einer veränderten menschlichen Verhaltensweise, meine ich.
Aber auch jenseits von Kriegszuständen haben die verschiedenen Epochen der Vergangenheit einiges an Grausamkeiten zu bieten. Fehlende Rechte bei weiten Teilen der Bevölkerung, brutalstes Umspringen mit Bettlern, psychisch Kranken, Frauen, Kindern, Tieren usw. und so fort. Das waren in vielerlei Hinsicht - jedenfalls für mich - absolut auch keine rosigen Zeiten.
Dabei möchte ich betonen: Mir geht es gar nicht um die Behauptung, heute sei alles besser - auch heute wird zB mit psychisch Kranken zum Teil noch grausam umgesprungen (auch sehr abhängig davon, wo man das Pech hat, entsprechend zu erkranken) und auch heute ließen sich viele weitere Beispiele finden.
Aber für mich zeigt der Befund aus der Vergangenheit doch recht überzeugend, dass die menschliche Natur sich in der Hinsicht Gewaltbereitschaft etc. nicht so sehr viel geändert hat über all die tausende von Jahren.
So, ich will gar niemanden überzeugen, aber doch zumindest zeigen, dass auch mein Standpunkt sinnvoll begründet werden kann.
Vielen Dank für den Austausch über Geschichte, das freut mich immer
Zuletzt geändert von MeisterEs am 04.10.2021, 07:51, insgesamt 1-mal geändert.