Hier ein paar Lektüren und Sendungen für jeden, der sich vorab etwas in das Thema einarbeiten möchte.
Belgien öffnet geheime Akte
9.1.2008
Brüssel. Belgien hat diesen Tag gefürchtet. Denn das Land wird eingeholt von seinem dunkelsten Kapitel: den Kindermorden des Marc Dutroux. Am späten Montagabend entschied die Anklagekammer in Lüttich, nun endlich die letzte Akte des Falles zu öffnen: War der mehrfache Kindesentführer und vierfache Kindermörder Teil eines Netzwerks? Versorgte er perverse pädosexuelle "Kunden" mit Kinderpornographie und jungen Mädchen, die dann bei sadistischen "Spielen" getötet wurden?
Es geht um die sogenannte "Akte bis", eine Sammlung bislang nicht ausgewerteter Spuren, die belegen sollten, dass Dutroux (51) kein Einzeltäter war, als er vor vier Jahren verurteilt wurde. Die Datei ist brisant: Sie enthält 6000 Proben von Haaren, die im Keller des Dutroux-Hauses bei Charleroi gefunden worden waren. Sie gehören nicht dem Kindermörder, nicht seiner Frau Michelle Martin und auch nicht seinen Mittätern. Und ebenso nicht Sabine Dardenne (12) und Laetitia Delhez (14), die die Polizei retten konnte.
Und wem gehören die 30 DNA-Profile, die die Akte enthält, die jetzt mit der vor fünf Jahren gegründeten Sexualstraftäter-Datei der belgischen Justiz abgeglichen werden sollen? Fachleute sollen nun untersuchen, ob die Spuren für neue Ermittlungen reichen.
Der Fall hat das Land traumatisiert. Zu unvorstellbar war das Grauen, das die Ermittlungen und die Schilderungen der Überlebenden damals täglich neu ans Licht brachten. Noch größer war wohl nur die Wut der Bevölkerung über Pannen bei den Sicherheitsbehörden, bei den Fahndungen, beim Prozess.
Es gibt so viele Fragen, die nie beantwortet wurden. Ein Jahr lang überwachte die Polizei Dutroux, ohne zu merken, dass dieser bereits zwei Kinder in seiner Gewalt hatte. Wurde er von mächtigen Freunden mehr beschützt als bewacht?
Als der erste Untersuchungsrichter Jean-Marc Connerotte kurz nach der Festnahme des Kindermörders die Belgier aufforderte, alles, was sie über einschlägige Verbrechen an Kindern wussten, mitzuteilen, brach eine Lawine von Informationen über die Ermittler herein. Darunter Aussagen von jungen Frauen, die Unfassbares zu Protokoll gaben: Sie wussten von Sex-Partys in den besten Kreisen, auf denen Kinder gefoltert und getötet wurden. "Zeugin X3" sprach von "einem Schloss inmitten eines Parks, wo Kinder - in Käfigen eingeschlossen - darauf warteten, ,dranzukommen'. Die Gruppe von 50 Erwachsenen war immer dieselbe." Auch König Albert II. wurde als Besucher von Sex-Partys genannt. Niemand befragte ihn.
Im Laufe der Jahre bis zum Prozessbeginn starben 27 Zeugen, teilweise unter mysteriösen Umständen. Längst liegen Zeugenaussagen vor, denen zufolge Dutroux für die Stasi gearbeitet hat. Die hatte jahrelang westliche Politiker mit pädosexuellen Neigungen erpresst. Das Material wurde nie ausgewertet, ehe es dem CIA übergeben wurde.
Belgien steht am Anfang einer Untersuchung, die "unser Land in ein noch größeres Trauma stürzen kann", wie es ein Fernsehkommentator gestern formulierte. "Oder aber wir erfahren endlich die Wahrheit und zerren die wahren Schweine ans Licht".
http://www.morgenweb.de/nachrichten/aus ... 95018.html