AUDIATUR ET ALTERA PARS
am Beispiel eines ServusTV Beitrages über den Kirchenerdstall Kleinzwettl vom 7. März 2012
https://www.youtube.com/watch?v=fev_i7HTxxw
Tatort: Kleinzwettl, Gemeinde Gastern im Bezirk Waidhofen an der Thaya im nördlichen Waldvertel in Niederösterreich. Kleinzwettl liegt ca. 130 km NW von Wien. Die Seehöhe beträgt 539 m, 122 Einwohner (Stand 2001), begründet im 12. Jahrhundert durch Ansiedlungen des Klosters Zwettl. Der Ort hieß ursprünglich Münichreith.
https://de.wikipedia.org/wiki/Kleinzwettl
Im Wikipediaeintrag wird die Anlage als Wehrkirchhofanlage bezeichnet. Nach den Fotos zu urteilen und nach der Definition im Historischen Lexikon Bayerns handelt es sich um eine Kirchenburg, da nur die Umfriedung befestigt ist.
„Unter einer Kirchenburg versteht man eine Kirche, deren Kirchhofummauerung wehrhaft ausgestaltet ist. Ist dagegen lediglich die Kirche befestigt, spricht man von einer Wehrkirche. Grundvoraussetzung für Wehrhaftigkeit ist, dass ein Baukörper neben hohen und festen Mauern auch Verteidigungseinrichtungen wie Wehrgänge, Schießscharten, Wurferker und verteidigungsfähige Türme, darunter auch Tortürme, besitzt.“
https://www.historisches-lexikon-bayern ... ehrkirchen
Bei NÖ-Burgen online nennt sich die Anlage Burgstall. Es heißt dort, es sei eine „gut erkennbare hausbergartige Anlage mit rom. Kirchenbau.“ Die Anfänge der Romanik in der Architektur sind auf das frühe 10. Jahrhundert zu datieren. In dem Artikel wird jedoch kein Baubeginn genannt. Die Anfänge des Ortes seien mindestens in die 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts zu verlegen: „Der Ort gelangt um 1160 durch Gf. Konrad I. v. Raabs an das Stift Zwettl. …Die hausbergartige Anlage mit der im Kern rom. Kirche befindet sich in erhöhter Lage am südwestl. Ende des Ortes, wohin sich der ehem. Dorfanger ausrichtet. Der kernwerksartige Hügel wird an der westl. Bergseite durch einen ausgeprägten Grabenring vom überhöhten Hinterland getrennt, von dem sich Wallbögen noch tlw. um die N- und S-Seite ziehen. … Das leicht von W nach O fallende Plateau mit einem Durchmesser von knapp 40 m wird von der polygonal geführten, höhenreduzierten Kirchhofmauer umgeben, die im O einen vorspringenden Torturm ausbildet. Die Toranlage, deren Zinnen rezenten Ursprungs sind, stammt vom Ausbau zur „Wehrkirche" während des späten Mittelalters und besitzt noch Blende, Schlitze und Rollen der ehem. Zugbrücke. Der Kirchenbau besteht aus einem im Kern rom. Langhaus, dessen unverputztes Bruchsteinmauerwerk sich überlagernde Fenster aus mehreren Bauphasen zeigt. Anhand der erhaltenen Traufsteine der N-Seite ist eine Erhöhung bereits in rom. Zeit ersichtlich. … Im Boden des Chores ist der Einstieg zu einem verzweigten Erdstall eingelassen, der nach W bis unter die Kirchhofmauer reicht.“
http://noeburgen.imareal.sbg.ac.at/result/burgid/2046
Es folgen einige Aussagen aus dem 8:01 Minuten Youtubebeitrag von Servus.tv in chronologischer Reihenfolge mit Anmerkungen in Klammern
0:29 Reporter: …Erdställe…mehr als 1000 wurden bereits entdeckt, aber Wissenschaftler vermuten, daß mindestens 10mal soviel im Verborgenen existieren.
1:25 Reporter : …. Kultstätte oder ein Zufluchtsort bei Gefahr?
…ich steige heute mit einem Wissenschaftler, einem der Erfahrensten hinunter in diesen Erdstall hier…
1:46 am Einstieg vor dem Altar
Josef Weichenberger erforscht solche Gangsysteme seit 35 Jahren
1:56 So, jetzt heben wir 150 Kilo, den Stein, heraus.
Der oberösterreichische Forscher ist der erste, der gerufen wird, wenn Bauarbeiter zufällig einen Erdstall finden.
Die Gänge … sind das Werk von Menschen, die hier vor etwa 1000 Jahren gegraben haben.
Aber warum?
Reporter bei 2.21 … bei meiner leichten Klaustrophobie würde ich mich da lieber draussen verteidigen, als herunter kriechen. Und ausserdem, das ist ja total eng und verwinkelt, als Weinkeller oder als Vorratskeller oder ähnliches ist das eigentlich schwer zu gebrauchen.
Herr Weichenberger nickt (2:30) und sagt: Genau. Aber es ist natürlich schon auch so, daß die räumliche Enge ein Vorteil ist, für den der herrinnen ist, weil, der Eindringling kann nur einer nach dem anderen hinein.
Und auch das Winkelige, er weiß nicht um`s nächste Eck, was erwartet ihn da. Und es ist doch besser lebendig zu sein und herinnen die Enge in Kauf zu nehmen, als wie draussen und tot.
2.53 Reporter nickt und sagt: Stimmt, ja.
Das 62 Meter lange Gangsystem ist tatsächlich an keiner Stelle breiter als ein Meter.
…1 Meter 20 unter dem Fussboden (der Kirche)
3:29 die Steinplatte unter der Säule ist gleichzeitig ein Deckstein des Erdstalles
3.59 der Vermessungsplan offenbart das Ausmaß der Anlage
4:07 (Der Grundriss scheint zu zeigen, daß der Erdstall samt Rundgang und „Blindgängen“ nicht nur über die Grundfläche der Kirche hinausgeht, sondern auch über die das Areal umschliessende polygonale Kirchhofmauer hinaus.)
Planangaben: Seehöhe 539 Meter, Länge (GL) 62, 3 Meter, Niveaudifferenz (ND) -6,9 Meter, HE 27,9 Meter
Reporter: Jetzt ist das aber sehr winkelig, sehr eng, also wenn da viele Personen unten waren, die haben sicher nicht lange durchgehalten. Kann`s nicht doch eine Kultstätte gewesen sein?
4:22 Weichenberger: Da geht man von der Überlegung aus, daß die Personen, die hier gerodet haben und in diesem Gebiet sesshaft wurden an ihrem alten Siedlungsplatz ihre Toten zurückgelassen haben und hier ein symbolisches Leergrab im Erdstall für ihre Seelen, für ihre Toten, für ihre Ahnen errichtet haben.
(Humoristisches Zwischenspiel: Das klingt jetzt aber ziemlich glaubhaft. Immer wenn` s nicht weitergeht müssen entweder 10 000 Umzügler - 0:29 - , ohne Leichen, doch mit Ahnen im Gepäck, oder von rezenten Wilden abgekupferte und auf die Erdstallerbauer übertragene, ominöse Riten oder irgendeine unspezifizierte Kulthandlung einspringen.
Und wenn´s eines Tages erneut wackelig werden sollte, errichtet man noch eine, von symbolischen Beweisen gestützte Hilfskonstruktion und dann noch eine und noch eine, bis alles wieder einigermassen stabil aussieht und stellt zur Sicherheit einige als Hohepriester verkleidete, vom Steuerzahler finanzierte Büttel zur Bewachung vor den Eingang in das Hypothesenkombinat, damit es keine Zeugen gibt, falls es zu diversen Umfällen kommt? Ist das Wissenschaft? Ist eine solche „Wissenschaft“ reformierbar? Ich meine NEIN!
Aber jetzt ernsthaft. Wir sind in Mitteleuropa. Auch wenn die wissenschaftliche und sonstige Vernunft derzeit von platten Füßen getreten wird, - sie ist nicht tot! Sie ist nur in den Untergrund getreten. Wie die Urchristen. Ein verborgener, quicklebendiger Strom.
Entweder ist die Anlage weit vorchristlich zu datieren, dann wäre die Leergrabtheorie, obwohl nicht evidenzgestützt, in Erwägung zu ziehen, oder sie ist nach erfolgter Christianisierung erbaut worden, dann hätten solch seltsame Bräuche, wie daß man mit den Seelen der Ahnen in historischer Zeit wandert und denen am Zielpunkt anonyme Anlagen als Heimstätte (unter Kirchen) errichtet, oder erst die Seelenlöcher und dann sofort die Kirchen darüber, irgendwo und irgendwie Spuren hinterlassen. In der Folklore, in Sagen und Mythen. In Orts- und Geländenamen, in Dokumenten. Auch das Volk, welches solchen Bräuchen frönte, hätte Spuren hinterlassen. Und die Kirche hätte das tolerieren müssen und dann adaptiert und dann, in mundgerechten Happen und um Magenverstimmungen zu vermeiden, in ein „Kirchenfest“ transformiert, vielleicht zu Allerseelen? Codename: Projekt Fegefeuer.
Um Gottes Willen, die moderne Wissenschaft hat mich - infiziert… .)
4. 37 Vermessungsplan: Einstieg und gemauertes Gewölbe
4:41 Reporter: Josef Weichenberger glaubt nicht an die Kultplatztheorie, sondern hält die Erdställe für Zufluchten und das obwohl die Gänge extrem eng und verwinkelt sind und deshalb wohl nicht sehr angenehm als Aufenthaltsraum.
(Altbekannt: Der Angreifer würde nach Entdeckung nicht hineingehen, sondern ein paar Tage warten, falls er dort Menschen vermutet und dann im Eingangsbereich oder in den Eingangsbereichen Feuer entzünden und wenn die Kirche brennt und die Trümmer fallen, ist `s eh aus. Ohne Frischluftstrom wird die Atmung, je nach Anzahl auch ohne das, innerhalb kürzester Zeit zum Problem. Dann muss man `raus.)
4:40 Vermessungsplan: Luftloch im Areal des Kirchengebäudes
zweites Luftloch innerhalb der Umfassungsmauer (4:43)
4:49 Versturzzone und Luftloch ausserhalb der Wehrmauer
4.58 Reporter : Aha, gute 600 ppm CO2 hier im Kirchenschiff
5.25 Reporter: laut WHO sollte die CO2 Konzentration 2500 ppm nicht überschreiten
5:36 Das Messgerät zeigt im Gang 5582 ppm an. Mehr als das Doppelte. Das ist sehr viel, sagt der Reporter
Weichenberger: Mhm.
5:46 Weichenberger: Wir haben einmal einen Überlebensversuch gemacht, in so einem Erdstall. Also es ist ohne weiteres 48 Stunden zum Aushalten gewesen, für uns zu dritt, in diesen unterirdischen Gängen.
(Bei fehlender oder ungenügender Bewetterung reduziert sich fortwährend der O2-Gehalt während der CO2 Gehalt ansteigt und das schwerere Gas absinkt und sich anreichert.)
6:50 Reporter: …und wozu diese extremen Engstellen..
6:57 Herr Weinberger zeigt Herrn Jäger an einem Schlupf „wie das funktioniert“, wie man mit Eindringlingen fertig wird.
(Während der Angreifer feststeckt oder sich hindurchwindet, haut ihm der Verteidiger mit einer Keule auf den Kopf und fertig. Wie geht es dann weiter, falls es kein Einzeltäter ist? Bei leichter Verletzung und im günstigsten Fall entschuldigt sich der Angreifer, zieht sich zurück und erzählt den Kumpels draussen, er habe sich gestoßen und daß da nichts wäre.
Oder er schreit sofort Zeter und Mordio. Dann muss man ihn auch sofort erledigen. Im ungünstigeren Fall steckt jetzt eine Leich` in der Öffnung. Das kann so nicht bleiben. Die Luft wird eng, der Duft nimmt zu, sie muss hinaus. Wer macht` s? Im ungünstigsten Fall machen das seine Kumpels von aussen, ziehen ihn hinaus und das war`s dann gewesen für die drinnen.)
7:17 Reporter: Sie haben mich überzeugt.
7:41 Reporter: Ganz sicher sein kann man sich nicht, aber ich persönlich tendier` mittlerweile mehr zur Theorie von Herrn Weichenberger, daß es wirklich Zufluchtsorte waren, ja..
7:55 Reporter: Verschlußsache Erdstall.
Was bleibt übrig? Der Vermessungsplan ist klasse.
Und der Kommentar von Evelyn Bader:
„Ein Stützpfeiler der Wehrkirche musste mit einer Steinplatte unterlegt werden, weil allem Anschein nach beim Bau der bereits vorhandene Erdstall angeschnitten wurde. Wenn dieser als Fluchtstollen gedient haben soll, dann hätten die Siedler im 11. Jahrhundert keine gesonderte Wehrkirche errichten müssen. Wichtig zum Überleben war in diesen Zeiten vor allem die Rettung des Viehs und der Vorräte. Dazu dienten besonders in Niederösterreich eigene Zufluchtsstätten, die sogenannten Winkel oder Lueg, in die beim Herannahen von Feinden das Vieh getrieben werden konnte, und auch Schwangere und Kleinkinder länger ausharren konnten, geschützt durch einen Verhau aus Büschen und Zweigen. Daher ist eine Funktion als Ort um sich vor Feinden zu schützen, auf jeden Fall bei diesem Erdstall mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen.“